Wir als einzelne Erwachsenenvertreter
Wir Erwachsenenvertreter sind jedenfalls mittlerweile ein unverzichtbarer Bestandteil der „sozialen Szene“. Entgegen dem in der Öffentlichkeit oft gepflogenen Bild beschränkt sich Erwachsenenvertretung keineswegs auf alte Menschen in Heimen. Im Gegenteil: Wir werden viel öfter als „trouble shooter“ in vielen sozialen Notlagen psychisch kranker oder intellektuell beeinträchtigter Menschen herangezogen: Bevorstehende Delogierung, Überschuldung, Verwahrlosung, Einkommenslosigkeit, fehlender Versicherungsschutz sind nur einige Stichworte. Unsere Klienten (aller Altersstufen) kommen aus allen Einkommens-, Bildungs- und Bevölkerungsschichten: von Armut und Obdachlosigkeit geprägte Menschen ebenso wie gut Situierte, Menschen ohne Schulbildung ebenso wie Akademiker.
Erwachsenenvertreter werden in der Regel erst dann bestellt, wenn alle anderen Hilfsangebote, die man unter den Begriff „unterstützte Entscheidungsfindung“ subsumieren kann, vergeblich ausgeschöpft worden sind. Auf diese Hilfsangebote können wir aber meist aufbauen. Wir sind also kein Ersatz dafür, sondern eine wichtige, wenn nicht sogar die maßgebende Ergänzung.
Wir sind die einzigen, die umfassend für die betroffenen Menschen tätig sind bzw. besser: tätig sein können. Alle anderen Hilfsangebote (ob öffentliche oder private) betreffen nur Teilbereiche und können überdies etwa von psychisch kranken Menschen infolge ihrer Erkrankung oft nicht angenommen werden. Eine operative Sozialarbeit der öffentlichen Hand oder Privater, die sich umfassend um diese Menschen kümmert, gibt es nicht. Wir sind immer wieder Lückenbüßer für Defizite des Sozialsystems.
In vielen Fällen sind es erst wir, die die Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben schaffen. Anlass für unsere Bestellung ist ja oft das Fehlen oder der drohende Verlust aller dieser Voraussetzungen, nämlich (um nur einige zu nennen): ausreichendes Einkommen, Erschließung aller möglichen Beihilfen und Durchsetzung von Pflegegeld, geeigneter Wohnplatz, Zugang zu medizinischer Versorgung, ausreichender Versicherungsschutz.
Erwachsenenvertreter sind aber nicht nur für die materielle Seite des Wohlergehens zuständig, sondern organisieren etwa auch die Betreuung durch soziale Dienste, Tagesstruktur, Besuchsdienste, Hauskrankenpflege. Wir führen oft zurück ins soziale Leben und ermöglichen wieder soziale Teilhabe.
Wir verfügen neben eigens ausgebildeten oder langjährig erfahrenen MitarbeiterInnen oft über ein großes Netzwerk an außerbetrieblichen Hilfsangeboten. Ein guter Erwachsenenvertreter ist nicht jener, der alles selbst kann/macht (den gibt es nicht), sondern jener, der die besten MitarbeiterInnen und Netzwerke hat.
- Wir unterliegen – im Gegensatz zum Vorsorgebevollmächtigten gerichtlicher Kontrolle. Nahe Angehörige als gesetzliche Erwachsenenvertreter sowie Erwachsenenschutzvereine unterliegen im Gegensatz zu gerichtlichen Erwachsenenvertreter nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle in Bezug auf die Vermögensverwaltung. Wir haften für Fehler, unsere Berufshaftpflichtversicherung deckt auch sehr hohe Schäden ab. Angehörige als Erwachsenenvertreter hingegen können das Haftungsprivileg des § 282 ABGB in Anspruch nehmen. Deshalb erhalten die betroffenen Menschen uU den ihnen durch das Verhalten des Angehörigen-Erwachsenenvertreters entstandenen Schaden nicht ersetzt; das wiegt umso schwerer, als Angehörige als Laien oft mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht vertraut sind.
Wir setzen die gesetzlichen und finanziellen Ansprüche der uns Anvertrauten in oft schwierigen und aufwendigen Verfahren gegen Behörden durch.
Wir werden in vielen Fällen im Laufe der Jahre zu (oft den einzigen!) Bezugspersonen, zu Seelentröstern und Kummernummern und sind „last resort“.
Wir als Vereinigung
Wir wollen als kompetente und mit der Materie vertraute Ansprechpartner für Institutionen, Medien und auch den Gesetzgeber zur Verfügung stehen.
Wir wollen in der Betreuung der uns Anvertrauten Maßstäbe setzen, an denen auch andere sich orientieren (können und müssen). Ausarbeitung von Qualitätskriterien ist unser Ziel.
Wir wollen Verbesserungen für die uns Anvertrauten erreichen: etwa Erleichterungen im Verfahren zur Erlangung der Mindestsicherung, Behörden auch als Serviceeinrichtungen und nicht als Verhinderer, verstärkte operative Sozialarbeit (die uns überflüssig machen würde), Verbesserung der Schnittstellen zwischen Psychiatrie und Draußen, Aufzeigen von Missständen in Verwaltung und Gesundheitswesen.
Wir streben an, dass Erwachsenenvertretung nicht mehr als Stigma dargestellt und empfunden wird (so wie sich auch niemand schämen muss, wenn er ärztliche Hilfe benötigt).
Die UN-Behindertenkonvention soll realitätsbezogen umgesetzt werden; daran wollen wir mitarbeiten.
Wir streben die Schaffung zeitgemäßer Arbeitsbedingungen für Erwachsenenvertreter an. Dazu gehört auch eine sachgerechte Entlohnung (derzeit sind wir oft gezwungen, unentgeltlich zu arbeiten, auch wenn ausreichendes Vermögen vorhanden ist). Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass wir dem Staat sehr viel Geld ersparen, obwohl wir von diesem – im Gegensatz zu Erwachsenenschutz-Vereinen – für unsere Tätigkeit keinen Cent bekommen; eine Tätigkeit, die von eminentem gesellschaftspolitischen Wert ist.